Historische Entwicklung und aktuelle Trends (Digitalisierung, Omnichannel)
Die Entwicklung des Handelsmarketings spiegelt die gesellschaftlichen, technologischen und wirtschaftlichen Veränderungen wider. Ursprünglich war der Handel stark produkt- und absatzorientiert, hat sich aber über die Jahrzehnte hinweg zu einer kundenorientierten Disziplin entwickelt.
- Frühe Phasen (bis ca. 1950er Jahre): "Produktorientierter Handel"
- Fokus lag auf der Beschaffung und dem reinen Verkauf von Waren.
- Geringer Wettbewerb, Nachfrage überstieg oft das Angebot.
- Marketingaktivitäten beschränkten sich primär auf die Warenpräsentation und grundlegende Verkaufstätigkeiten.
- Standort und ein rudimentäres(unvollständiges) Sortiment waren die Hauptunterscheidungsmerkmale.
- Expansionsphase (ca. 1950er-1970er Jahre): "Absatzorientierter Handel"
- Wirtschaftswunder und steigende Kaufkraft führten zu einem Ausbau des Konsums.
- Entwicklung von Selbstbedienungsläden, Supermärkten und Warenhäusern.
- Zunehmende Bedeutung von Werbung und Verkaufsförderung zur Absatzsteigerung.
- Erste Ansätze zur systematischen Sortimentsgestaltung und Filialisierung.
- Das „Marketing“ wurde primär als Verkaufsfunktion verstanden.
- Kundenorientierungsphase (ca. 1970er-1990er Jahre): "Kundenorientierter Handel"
- Marktsättigung und intensiver Wettbewerb zwangen den Handel zur Differenzierung.
- Der Kunde rückt in den Mittelpunkt: Analyse von Kundenbedürfnissen und -wünschen.
- Entwicklung von Kundenbindungsprogrammen, wie z.B. Payback-Karten oder eigene Kundenkarten.
- Stärkere Betonung von Service, Qualität und Einkaufserlebnis.
- Professionalisierung des Marketings mit Fokus auf Zielgruppenanalyse und Positionierung.
- Entwicklung von Handelsmarken als Differenzierungsinstrument.
- Beziehungsorientierungsphase (ca. 1990er-2000er Jahre): "Beziehungsorientierter Handel"
- Fokus auf langfristige Kundenbeziehungen statt einmaliger Transaktionen.
- Ausbau von CRM-Systemen (Customer Relationship Management) zur datengestützten Kundenpflege.
- Personalisierung von Angeboten und Kommunikation.
- Bedeutung von Image und Markenbildung des Handelsunternehmens.
- Aktuelle Trends (ab ca. 2000er Jahre): "Digitalisierter und Omnichannel-Handel"
- Digitalisierung:
- E-Commerce: Massive Verlagerung von Käufen in den Online-Bereich. Online-Shops werden zu wichtigen Vertriebskanälen.
- Mobile Commerce: Einkaufen über Smartphones und Tablets gewinnt extrem an Bedeutung. Apps und mobile Websites werden essenziell.
- Social Media Marketing: Nutzung sozialer Netzwerke für Markenbildung, Kundeninteraktion und direkte Verkäufe.
- Big Data und Künstliche Intelligenz (KI): Analyse riesiger Datenmengen zur Personalisierung von Angeboten, Optimierung der Lagerhaltung und Vorhersage von Kaufverhalten.
- Automatisierung: Einsatz von Chatbots im Kundenservice, automatisierte Lagerroboter.
- Omnichannel-Strategien:
- Nahtlose Integration aller Vertriebs- und Kommunikationskanäle (stationär, online, mobil, Katalog).
- Der Kunde soll unabhängig vom Kanal ein konsistentes und optimiertes Einkaufserlebnis haben.
- Beispiele: Click & Collect (online bestellen, im Laden abholen), Ship from Store (online bestellen, aus Filiale liefern), In-Store-Navigation per App, Verfügbarkeitsprüfung online für Filialprodukte.
- Die Grenzen zwischen Online- und Offline-Handel verschwimmen.
- Erlebnisorientierung / Retailtainment: Der stationäre Handel muss mehr bieten als nur Produkte. Es geht um die Schaffung einzigartiger Einkaufserlebnisse, Unterhaltung, Event-Charakter (z.B. Pop-up-Stores, In-Store-Workshops, Gastronomie im Geschäft).
- Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung: Kunden legen zunehmend Wert auf umweltfreundliche Produkte, faire Produktionsbedingungen und ein ethisch handelndes Unternehmen. Dies wird zu einem wichtigen Marketingargument.
- Personalisierung: Gezielte Ansprache und Angebote basierend auf individuellen Präferenzen und Kaufhistorie, oft ermöglicht durch Datenanalyse.
- Digitalisierung:
Infografik

Übungsfragen - überprüfe dein Wissen schnell über Multiple-Choice
Übungsfragen: Entwicklung des Handelsmarketings
1. Was war das Hauptmerkmal der 'produktorientierten' Phase des Handelsmarketings (bis ca. 1950er Jahre)?
2. Welcher entscheidende Faktor führte zur Entstehung des 'absatzorientierten Handels' in der Expansionsphase (ca. 1950er-1970er)?
3. Welche Strategie wurde in der 'kundenorientierten Phase' (ca. 1970er-1990er) als wichtiges Differenzierungsinstrument entwickelt?
Ausführliche Übungsfragen ähnlich wie sie in der IHK-Prüfung vorkommen können
Aufgabe 1 (Situationsaufgabe, Analyse & Transfer):
Ein mittelständisches Einzelhandelsunternehmen für Haushaltswaren existiert seit den 1970er-Jahren. Ursprünglich lag der Fokus ausschließlich auf der Beschaffung und Weitergabe von Waren. In den 1990er-Jahren begann das Unternehmen, erste Marketinginstrumente wie Prospektwerbung und Preiskampagnen einzusetzen. Heute betreibt das Unternehmen zusätzlich einen Onlineshop und setzt Social-Media-Kanäle ein, um Kunden zu gewinnen und zu binden.
Aufgabenstellung:
a) Beschreiben Sie die wesentlichen Entwicklungsstufen des Handelsmarketings seit den 1970er-Jahren bis heute. (6 Punkte)
b) Leiten Sie aus dieser Entwicklung drei aktuelle Herausforderungen für das Handelsmarketing ab. (6 Punkte)
c) Begründen Sie, warum die Ausrichtung am Kundennutzen heute als zentraler Erfolgsfaktor gilt. (3 Punkte)
a) Entwicklungsstufen des Handelsmarketings
(6 Punkte)
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1970er-Jahre: Beschaffungsorientierung – Fokus auf Versorgung der Bevölkerung, Absatz ohne große Marketinganstrengungen. (2 P)
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1980er/1990er-Jahre: Übergang zu absatzorientiertem Denken – Einsatz klassischer Werbung (Handzettel, Prospekte, TV), Betonung von Preisaktionen. (2 P)
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Ab 2000: Kundenorientierung – Aufbau von Kundenbindung, CRM-Systeme, Servicequalität, Erlebnisorientierung. (1 P)
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Ab ca. 2010: Digitalisierung – Multi-Channel-/Omni-Channel-Strategien, Social Media, Influencer-Marketing, personalisierte Onlinewerbung. (1 P)
b) Drei aktuelle Herausforderungen
(6 Punkte)
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Intensiver Preis- und Verdrängungswettbewerb im stationären und Online-Handel. (2 P)
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Notwendigkeit zur digitalen Transformation (Onlineshop, Social Media, mobile Apps). (2 P)
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Veränderung des Kundenverhaltens: Erwartung von Individualisierung, Nachhaltigkeit, schneller Lieferung. (2 P)
c) Kundennutzen als zentraler Erfolgsfaktor
(3 Punkte)
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Hohe Marktsättigung, Produkte sind austauschbar → Differenzierung nur über Kundennutzen möglich. (1 P)
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Kundenloyalität entsteht durch wahrgenommenen Mehrwert, nicht nur über den Preis. (1 P)
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Kundenzentrierung steigert langfristig Marktanteil und Rentabilität. (1 P)
Aufgabe 2 (Konzeptaufgabe, Anwendung & Reflexion):
Ein Lebensmittelhändler möchte sein Handelsmarketing anpassen, da er den Eindruck hat, dass klassische Handzettelwerbung an Wirkung verliert. Gleichzeitig nimmt der Wettbewerbsdruck durch große Online-Plattformen zu.
Aufgabenstellung:
a) Erklären Sie, wie sich die Zielsetzungen des Handelsmarketings von der produktorientierten hin zur kundenorientierten Ausrichtung entwickelt haben. (6 Punkte)
b) Entwickeln Sie drei Maßnahmen, mit denen der Händler die aktuelle Entwicklung im Handelsmarketing erfolgreich umsetzen kann. (6 Punkte)
c) Diskutieren Sie, welche Rolle digitale Instrumente im modernen Handelsmarketing spielen. (4 Punkte)
a) Entwicklung der Zielsetzungen
(6 Punkte)
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Früher: produkt- und warenorientiert (Absatz der vorhandenen Ware im Mittelpunkt). (2 P)
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Später: absatz- und wettbewerbsorientiert (Preis, Sortiment, Werbung zur Differenzierung). (2 P)
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Heute: kundenorientiert – Kundennutzen, Kundenerlebnis, langfristige Bindung stehen im Vordergrund. (2 P)
b) Drei Maßnahmen für den Händler
(6 Punkte)
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Einführung eines Bonus- oder Treueprogramms zur Kundenbindung. (2 P)
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Ausbau digitaler Kommunikation: Social Media, Newsletter, personalisierte Angebote. (2 P)
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Erlebnismarketing im Laden: Verkostungen, Events, Serviceangebote. (2 P)
c) Rolle digitaler Instrumente
(4 Punkte)
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Reichweite überregionale Kunden, auch außerhalb des stationären Umfelds. (1 P)
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Personalisierung durch Datenanalyse (z. B. gezielte Online-Werbung). (1 P)
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Integration in Omni-Channel-Strategien (Kombination von Online-Shop, Click & Collect, Filiale). (1 P)
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Effiziente Erfolgsmessung durch Kennzahlen (KPI-Tracking, Conversion Rates). (1 P)
