Die Kunst der Verhandlungsführung im Einkauf
Verhandlungskompetenz ist eine der entscheidenden Fähigkeiten im Einkauf. Sie entscheidet über Kosten, Konditionen und die Qualität der Lieferantenbeziehungen.
Die drei Phasen einer erfolgreichen Verhandlung
Eine professionelle Verhandlung folgt einer klaren Struktur, die sich in drei Phasen unterteilen lässt:
Vorbereitungsphase: Diese Phase ist die wichtigste und legt den Grundstein für den Erfolg. Sie umfasst eine gründliche Recherche über den Verhandlungspartner (seine Marktposition, Kostenstruktur, Ziele) und die allgemeine Marktlage. Essentiell ist auch die Definition der eigenen Ziele: Was sind die Minimalanforderungen ("Must-haves")? Was sind wünschenswerte, aber verhandelbare Punkte ("Nice-to-haves")? Eine gute Vorbereitung stärkt die eigene Verhandlungsposition massiv.
Durchführungsphase: Dies ist der eigentliche Verhandlungsprozess. Er beginnt mit dem Gesprächseinstieg, bei dem eine konstruktive Atmosphäre geschaffen und die Beziehungs- von der Sachebene getrennt werden sollte. In der Analysephase geht es darum, das Angebot des Partners vollständig zu verstehen und durch gezielte Fragen Informationen zu gewinnen. In der Kernverhandlungsphase werden Positionen ausgetauscht und Argumente vorgebracht, bevor die Verhandlung mit einer klaren Zusammenfassung der Ergebnisse und Vereinbarungen abgeschlossen wird.
Nachbereitungsphase: Nach der Verhandlung müssen die Ergebnisse gesichert werden. Dies geschieht durch die Erstellung eines detaillierten Protokolls und die Ausarbeitung des Vertrags. Intern werden die Ergebnisse kommuniziert und Aufgaben verteilt. Ebenso wichtig ist die selbstkritische Analyse der eigenen Verhandlungsleistung, um für zukünftige Gespräche zu lernen.
Zentrale Verhandlungsstrategien und -taktiken
Die Wahl der richtigen Strategie hängt von der Situation, dem Verhandlungspartner und den eigenen Zielen ab.
Win-Win-Strategie (kooperativ): Das Ziel ist, eine Lösung zu finden, von der beide Seiten profitieren. Dieser Ansatz fördert langfristige, stabile Partnerschaften und eignet sich besonders für strategisch wichtige Lieferanten.
Preisdominierte Strategie (kompetitiv / Win-Lose): Hierbei wird versucht, die eigenen Ziele (meist Kostensenkung) maximal durchzusetzen, auch auf Kosten des Partners. Dies kann durch Ausüben von Druck oder Androhung eines Lieferantenwechsels geschehen. Diese Strategie kann kurzfristig erfolgreich sein, belastet aber die Beziehung und birgt das Risiko von Qualitätsverlusten.
BATNA (Best Alternative to a Negotiated Agreement): Dies bezeichnet die beste Handlungsalternative, die einem zur Verfügung steht, falls die aktuelle Verhandlung scheitert. Eine starke BATNA (z.B. ein attraktives Angebot eines anderen Lieferanten) verbessert die eigene Verhandlungsposition enorm, da man nicht auf eine Einigung angewiesen ist.
Ankereffekt-Strategie: Bei dieser Taktik wird bewusst ein erstes Angebot gemacht (ein "Anker" gesetzt), das den weiteren Verhandlungsrahmen stark beeinflusst. Ein bewusst niedrig angesetztes Startgebot kann den Verhandlungsspielraum zugunsten des Einkäufers verschieben.
Kompromissstrategie: Wenn eine Verhandlung festgefahren ist, können beide Seiten Zugeständnisse machen, um eine für beide Seiten akzeptable Einigung in der Mitte zu finden.
Die Wahl der Verhandlungsstrategie darf nicht willkürlich erfolgen. Sie ist vielmehr eine direkte Konsequenz aus der strategischen Klassifizierung des Lieferanten und der beschafften Ware. Bei einem strategischen Partner, der ein A-Gut mit hohem Versorgungsrisiko liefert, wäre eine rein preisdominierte Win-Lose-Strategie kontraproduktiv und würde die für beide Seiten wichtige Partnerschaft gefährden. Hier ist eine kooperative Win-Win-Strategie zur gemeinsamen Wertschöpfung und Risikominimierung unerlässlich. Handelt es sich hingegen um ein Hebelprodukt oder ein standardisiertes C-Teil von einem leicht austauschbaren Lieferanten, ist die Anwendung einer kompetitiven, preisorientierten Strategie und das Ausspielen des Wettbewerbs legitim und wirtschaftlich geboten. Gegenüber einem Monopolisten (Engpassprodukt) ist die Kenntnis der eigenen besten Alternative (BATNA) entscheidend. Existiert keine Alternative, muss die Strategie defensiver ausgerichtet sein und auf die Sicherung der Beziehung und die gemeinsame Suche nach Effizienzpotenzialen abzielen. Ein Handelsfachwirt muss diese Verknüpfung erkennen und in der Lage sein, eine situationsadäquate und begründete Verhandlungsstrategie abzuleiten.
Umgang mit schwierigen Verhandlungen und Partnern
Nicht jede Verhandlung verläuft kooperativ. Einkäufer müssen darauf vorbereitet sein, Taktiken und Manipulationsversuche der Verkäuferseite zu erkennen und professionell zu kontern. Eine strukturierte Einwandbehandlung ist hierbei ein wichtiges Werkzeug. Gegenüber Monopolisten, bei denen die Verhandlungsmacht klar auf der Seite des Lieferanten liegt, ist es entscheidend, die eigene (oft schwache) Position durch exzellente Vorbereitung, die Suche nach Substitutionsgütern und den Aufbau einer langfristigen, vertrauensvollen Beziehung zu stärken. Psychologische Fähigkeiten wie das Lesen von Körpersprache, aktives Zuhören und der gezielte Einsatz von Fragetechniken sind universelle Instrumente, um das Gespräch zu steuern und auch in schwierigen Situationen die Kontrolle zu behalten.
Teil III: Der operative Beschaffungsprozess
Der operative Beschaffungsprozess, oft als Purchase-to-Pay (P2P) bezeichnet, umfasst alle transaktionalen Schritte von der Bedarfsfeststellung bis zur Bezahlung der Rechnung. Seine effiziente Gestaltung ist entscheidend für die Kostenkontrolle und die reibungslose Versorgung des Unternehmens.
Infografik
Die Kunst der Verhandlungsführung im Einkauf
Von der Vorbereitung bis zum erfolgreichen Abschluss
5.1 Die drei Phasen einer erfolgreichen Verhandlung
Jede professionelle Verhandlung folgt einer klaren Struktur. Diese drei Phasen bauen aufeinander auf und sind entscheidend für den Erfolg.
1. Vorbereitung
Die wichtigste Phase: Recherche, Definition von Minimalzielen (Must-haves) und Wunschzielen (Nice-to-haves). Eine gute Vorbereitung ist die halbe Miete.
2. Durchführung
Der eigentliche Prozess: Von der Gesprächseröffnung über die Analyse des Angebots und die Kernverhandlung bis zur klaren Zusammenfassung der Ergebnisse.
3. Nachbereitung
Sicherung der Ergebnisse: Erstellung von Protokoll und Vertrag, interne Kommunikation und die selbstkritische Analyse zur kontinuierlichen Verbesserung.
5.2 Zentrale Verhandlungsstrategien
Die Wahl der Strategie ist entscheidend. Die beiden grundlegenden Ansätze, kooperativ (Win-Win) und kompetitiv (Win-Lose), unterscheiden sich fundamental in ihrer Ausrichtung, wie das Diagramm zeigt.
BATNA
Die "Best Alternative to a Negotiated Agreement". Eine starke Alternative (z.B. ein anderes Angebot) stärkt die eigene Position enorm.
Ankereffekt
Ein bewusst gesetztes erstes Angebot ("Anker"), das den weiteren Verhandlungsrahmen zum eigenen Vorteil beeinflusst.
Kompromiss
Bei festgefahrenen Situationen machen beide Seiten Zugeständnisse, um eine akzeptable Einigung in der Mitte zu finden.
Die richtige Strategie für jeden Lieferanten
Die Wahl der Verhandlungsstrategie darf nicht willkürlich sein. Sie ist eine direkte Konsequenz aus der strategischen Bedeutung des Lieferanten und des Produkts.
Strategischer Partner
(A-Gut, hohes Risiko)
Einzigartige Produkte, enge Zusammenarbeit, hohe Abhängigkeit.
Partnerschaftliche Kooperation zur gemeinsamen Wertschöpfung und Risikominimierung.
Hebel-Lieferant
(Standard- & Hebelprodukt)
Viele Alternativen, geringe Wechselkosten, der Preis ist der Hauptfaktor.
Preisdominierte Verhandlung, Ausspielen des Wettbewerbs zur Kostenoptimierung.
Engpass-Lieferant
(Engpassprodukt, Monopolist)
Keine oder wenige Alternativen, hohe Macht auf Lieferantenseite.
Beziehung sichern, Alternativen (BATNA) aufbauen, Effizienzpotenziale suchen.
Übungsaufgaben
Übungsaufgaben: Verhandlungsführung im Einkauf
Hinweis
