Die Symbiose von Einkauf und Lagerwirtschaft
Einkauf und Lagerwirtschaft sind zwei untrennbar miteinander verbundene Funktionen. Jede Entscheidung im Einkauf hat direkte Auswirkungen auf das Lager – und umgekehrt. Ein effizientes Zusammenspiel ist daher für die Wirtschaftlichkeit des gesamten Unternehmens von entscheidender Bedeutung.
Grundlagen der Lagerwirtschaft für den Einkauf
Die Lagerhaltung dient als notwendiger Puffer, um die zeitlichen und mengenmäßigen Unterschiede zwischen der Warenbeschaffung und dem Warenverbrauch (in Produktion oder Verkauf) auszugleichen. Die zentralen
Lagerfunktionen sind:
Sicherungs- oder Pufferfunktion: Ausgleich von unvorhergesehenen Schwankungen bei der Beschaffung (z.B. Lieferverzögerungen) oder beim Absatz.
Ausgleichsfunktion: Überbrückung von zeitlichen Diskrepanzen, z.B. bei saisonalen Produkten, die auf Vorrat produziert und gelagert werden.
Spekulationsfunktion: Gezielter Einkauf großer Mengen bei erwarteten Preissteigerungen, um Kostenvorteile zu realisieren.
Umformungs- oder Veredelungsfunktion: Lagerung als Teil des Produktionsprozesses, z.B. bei der Reifung von Käse oder der Trocknung von Holz.
Für eine ordnungsgemäße Lagerung sind grundlegende Prinzipien zu beachten, wie Ordnung und Sauberkeit, eine übersichtliche Anordnung (z.B. durch ein Lagerplatznummernsystem) und die sachgerechte, sichere Lagerung der jeweiligen Warenart.
Einfluss von Einkaufsentscheidungen auf Lagerbestände und -kosten
Die Entscheidungen des Einkaufs, insbesondere bezüglich der Bestellmenge und des Bestellzeitpunkts, haben einen direkten und maßgeblichen Einfluss auf die Lagerbestände und die damit verbundenen Kosten. Hier zeigt sich ein fundamentaler Zielkonflikt: Während der Einkauf oft bestrebt ist, durch die Bestellung großer Mengen niedrige Einstandspreise (durch Mengenrabatte) und geringe Bestellkosten zu erzielen, führt genau dies zu hohen durchschnittlichen Lagerbeständen.
Hohe Lagerbestände verursachen wiederum erhebliche Lagerkosten. Diese setzen sich zusammen aus:
Personalkosten für das Lagerpersonal.
Raumkosten für Miete, Abschreibungen, Instandhaltung, Energie und Versicherungen des Lagergebäudes.
Kapitalbindungskosten, die den größten und oft unterschätzten Kostenblock darstellen.
Die Kapitalbindung im Lager beschreibt das in den Lagerbeständen "festgelegte" Kapital, das dem Unternehmen nicht für andere Zwecke (z.B. Investitionen, Schuldentilgung) zur Verfügung steht und somit die Liquidität einschränkt. Je länger eine Ware im Lager verbleibt und je höher ihr Wert ist, desto höher sind die Kapitalbindungskosten. Der Einkauf muss diesen Zielkonflikt zwischen günstigen Beschaffungskonditionen und hohen Lagerkosten erkennen und aktiv managen, um ein Gesamtkostenoptimum für das Unternehmen zu finden, anstatt nur eine einzelne Kostenart zu optimieren.
Wichtige Konzepte des Bestandsmanagements
Um den Zielkonflikt zu steuern und die Bestände zu optimieren, nutzt die Lagerwirtschaft verschiedene Konzepte, die eng mit dem Einkauf verzahnt sind:
Just-in-Time (JIT): Bei dieser Strategie werden Materialien genau dann geliefert, wenn sie in der Produktion oder im Verkauf benötigt werden. Dies minimiert die Lagerbestände und -kosten drastisch, stellt aber extrem hohe Anforderungen an die Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit der Lieferanten und die gesamte Logistikkette.
Sicherheitsbestand (Eiserner Bestand): Dies ist ein Pufferbestand, der nicht für den normalen Verbrauch vorgesehen ist. Er dient ausschließlich dazu, unvorhergesehene Ereignisse wie plötzliche Lieferausfälle oder unerwarteten Mehrverbrauch abzufedern und so Produktionsstillstände oder Lieferengpässe ("Out-of-Stock") zu vermeiden.
Meldebestand: Dies ist das Bestandsniveau, bei dessen Erreichen automatisch eine neue Bestellung ausgelöst wird. Er ist so berechnet, dass die neue Lieferung eintrifft, bevor der Sicherheitsbestand angegriffen werden muss. Formel: Meldebestand = (Tagesverbrauch × Wiederbeschaffungszeit) + Sicherheitsbestand.
Optimale Bestellmenge: Ein klassisches betriebswirtschaftliches Modell (bekannt als Andler-Formel), das darauf abzielt, jene Bestellmenge zu ermitteln, bei der die Summe aus den fixen Bestellkosten (die mit jeder Bestellung anfallen) und den variablen Lagerhaltungskosten (die mit der Höhe des Lagerbestands steigen) ein Minimum erreicht. Es stellt einen theoretischen Ansatz zur Auflösung des oben beschriebenen Zielkonflikts dar.
Infografik
Die Symbiose von Einkauf & Lagerwirtschaft
Wie Einkaufsentscheidungen die Lagerkosten direkt beeinflussen
Die vier zentralen Funktionen des Lagers
Ein Lager ist mehr als nur ein Aufbewahrungsort. Es agiert als strategischer Puffer, der die reibungslosen Abläufe im Unternehmen sicherstellt, indem es verschiedene Kernfunktionen erfüllt.
Sicherungsfunktion
Gleicht unvorhergesehene Liefer- oder Bedarfsschwankungen aus und verhindert Engpässe.
Ausgleichsfunktion
Überbrückt zeitliche Lücken, z.B. bei der Lagerung saisonaler Produkte auf Vorrat.
Spekulationsfunktion
Ermöglicht den Einkauf großer Mengen bei erwarteten Preissteigerungen zur Kostenoptimierung.
Veredelungsfunktion
Dient als Teil des Produktionsprozesses, z.B. bei der Reifung von Käse oder Trocknung von Holz.
Der fundamentale Zielkonflikt
Der Einkauf strebt nach niedrigen Bestellkosten und Mengenrabatten durch große Bestellungen. Dies führt jedoch unweigerlich zu hohen Lagerkosten. Die "Optimale Bestellmenge" ist der theoretische Punkt, an dem die Summe beider Kosten am geringsten ist.
Anatomie der Lagerkosten
Die Kosten eines Lagers sind vielfältig. Der größte und oft am meisten unterschätzte Faktor sind die Kapitalbindungskosten – das Geld, das im Lager "festsitzt" und an anderer Stelle fehlt.
Konzepte des Bestandsmanagements
Um Bestände zu optimieren, werden verschiedene Konzepte genutzt. Der Meldebestand ist ein kritisches Level, das eine neue Bestellung auslöst, um Lieferengpässe zu vermeiden.
Meldebestand erreicht
Der Lagerstand fällt auf das vordefinierte Niveau. Eine neue Bestellung wird automatisch ausgelöst.
Wiederbeschaffungszeit läuft
Während der Lieferant die Ware vorbereitet und liefert, wird der verbleibende Bestand weiter verbraucht.
Wareneingang
Die neue Lieferung trifft ein, idealerweise kurz bevor der Sicherheitsbestand angegriffen werden muss.
Sicherheitsbestand
Dieser "eiserne Bestand" wird nur im Notfall (z.B. bei Lieferverzug) genutzt, um die Produktion abzusichern.
Übungsaufgaben
Übungsaufgaben: Einkauf und Lagerwirtschaft
Hinweis