Operatives Handelsmarketing + Übungsfragen
August 24, 2025Dienstleistungen im Handel + Übungsfragen
August 24, 2025Sortimentsgestaltung (Analyse, Planung, Steuerung)
Die Sortimentsgestaltung ist ein dynamischer und kontinuierlicher Prozess, der weit über die bloße Festlegung von Breite und Tiefe hinausgeht. Sie umfasst die systematische Analyse, Planung und Steuerung des gesamten Produktangebots eines Handelsunternehmens. Ziel ist es, ein optimales Sortiment zu schaffen, das die Kundenbedürfnisse erfüllt, sich vom Wettbewerb differenziert und gleichzeitig die wirtschaftlichen Ziele des Unternehmens unterstützt.
Analyse der Sortimentsgestaltung: Die Analysephase dient dazu, den aktuellen Zustand des Sortiments zu bewerten und Verbesserungspotenziale zu identifizieren.
- Kundenanalyse:
- Welche Produkte werden von welchen Kundensegmenten nachgefragt?
- Welche Bedürfnisse sind noch unerfüllt?
- Welche Kaufmuster und Präferenzen zeigen die Kunden (z.B. durch Kassendaten, Kundenkartenanalysen, Umfragen)?
- Wie reagieren Kunden auf Sortimentsänderungen?
- Wettbewerbsanalyse:
- Welche Sortimente bieten die direkten und indirekten Wettbewerber an?
- Wo gibt es Sortimentslücken oder -überschneidungen?
- Welche Alleinstellungsmerkmale haben die Wettbewerber im Sortiment?
- Lieferantenanalyse:
- Welche Lieferanten bieten welche Produkte zu welchen Konditionen an?
- Gibt es Abhängigkeiten von einzelnen Lieferanten?
- Welche neuen Produkte oder Innovationen bieten Lieferanten an?
- Interne Analyse (Sortimentskennzahlen):
- Umsatz- und Ertragskennzahlen: Welche Produkte sind Umsatztreiber, welche sind margenstark? (Renner-Penner-Analyse).
- Umschlagshäufigkeit: Wie schnell verkaufen sich bestimmte Produkte? (Lagerhaltungskosten).
- Ladenhüter: Welche Produkte liegen lange im Lager und binden Kapital?
- Retourenquoten: Welche Produkte haben hohe Rücksendequoten?
- Kannibalisierungseffekte: Führen neue Produkte dazu, dass sich bestehende Produkte schlechter verkaufen?
Planung der Sortimentsgestaltung: Basierend auf den Analyseergebnissen werden Entscheidungen über die zukünftige Zusammensetzung des Sortiments getroffen.
- Sortimentsstrategie:
- Differenzierungsstrategie: Soll das Sortiment einzigartig und exklusiv sein (z.B. durch Eigenmarken, Nischenprodukte)?
- Preisführerschaftsstrategie: Soll das Sortiment primär über den Preis konkurrieren (z.B. durch Standardartikel, geringe Auswahl)?
- Breiten- oder Tiefenstrategie: Soll das Sortiment eher breit oder tief sein?
- Sortimentserweiterung (Assortment Expansion):
- Produklinien-Erweiterung: Aufnahme neuer Varianten bestehender Produkte (z.B. neue Geschmacksrichtungen, Größen).
- Warengruppen-Erweiterung: Aufnahme neuer, verwandter Produktkategorien (z.B. ein Buchladen bietet nun auch Schreibwaren an).
- Markenerweiterung: Aufnahme neuer Marken (Herstellermarken oder Eigenmarken).
- Sortimentsbereinigung (Assortment Contraction):
- Entfernen von unprofitablen Produkten, Ladenhütern oder Produkten, die nicht zur strategischen Ausrichtung passen.
- Entwicklung von Eigenmarken (Handelsmarken):
- Definition: Produkte, die unter dem eigenen Namen des Handelsunternehmens vertrieben werden, aber von externen Herstellern produziert werden.
- Vorteile: Höhere Margen, Differenzierung vom Wettbewerb, Stärkung des eigenen Images, Kontrolle über Qualität und Preis.
- Arten:
- Billigmarken: Fokus auf niedrigsten Preis (z.B. "Gut & Günstig" bei Edeka).
- Leistungsmarken: Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, oft vergleichbar mit Herstellermarken (z.B. "K-Classic" bei Kaufland).
- Premiummarken: Hohe Qualität und oft Nischenprodukte (z.B. "Feine Welt" bei Rewe).
- Strategische Rolle: Eigenmarken können eine wichtige Rolle in der Positionierung spielen, indem sie entweder Preisführerschaft oder Differenzierung unterstützen.
Steuerung der Sortimentsgestaltung: Die Steuerung umfasst die kontinuierliche Überwachung und Anpassung des Sortiments, um sicherzustellen, dass es den Zielen entspricht.
- Kategorie-Management: Ganzheitliche Steuerung von Produktkategorien als strategische Geschäftseinheiten, oft in Zusammenarbeit mit Lieferanten (Category Captain).
- Warenwirtschaftssysteme: Einsatz von Software zur effizienten Bestandsführung, Bestellabwicklung und Analyse von Verkaufsdaten.
- Regaloptimierung (Shelf Management): Optimale Platzierung von Produkten im Laden, um den Abverkauf zu fördern (z.B. Platzierung von Impulsprodukten, Eye-Level-Platzierung von Markenartikeln).
- Pricing und Promotion: Anpassung von Preisen und Werbemaßnahmen an die Sortimentsstrategie.
Sortimentsinnovation und -bereinigung
Die Sortimentsgestaltung ist kein statischer Zustand, sondern ein dynamischer Prozess, der ständige Anpassung erfordert. Sortimentsinnovation und -bereinigung sind zwei Seiten derselben Medaille und entscheidend, um das Angebot aktuell, attraktiv und profitabel zu halten.
Sortimentsinnovation:
- Definition: Die Einführung neuer Produkte, Warengruppen oder Dienstleistungen in das bestehende Sortiment eines Handelsunternehmens. Dies kann die Aufnahme von Produkten sein, die neu auf dem Markt sind (echte Innovationen), oder die Einführung von Produkten, die für das Unternehmen neu sind, aber bereits bei Wettbewerbern existieren.
- Ziele der Sortimentsinnovation:
- Kundenbedürfnisse befriedigen: Aufgreifen neuer Trends und sich ändernder Kundenwünsche (z.B. vegane Produkte, Smart Home-Geräte).
- Wettbewerbsvorteil schaffen: Differenzierung von der Konkurrenz durch einzigartige oder innovative Angebote.
- Umsatzsteigerung: Erschließung neuer Umsatzpotenziale.
- Imageverbesserung: Positionierung als innovativer oder trendsetzender Händler.
- Kundenbindung: Bieten von Neuheiten, die Kunden an das Geschäft binden.
- Quellen für Sortimentsinnovationen:
- Lieferanten: Neue Produkte von Herstellern.
- Marktforschung: Analyse von Konsumentenbedürfnissen und -trends.
- Wettbewerbsbeobachtung: Analyse von Sortimentserweiterungen der Konkurrenz.
- Interne Entwicklung: Eigene Entwicklung von Handelsmarken oder Services.
- Kundenfeedback: Direkte Anregungen von Kunden.
- Herausforderungen:
- Risiko, dass neue Produkte nicht angenommen werden.
- Hohe Investitionen in Einkauf, Lagerhaltung und Marketing.
- Komplexität bei der Integration neuer Produkte in bestehende Prozesse.
- Beispiel: Ein Supermarkt, der als erster in seiner Region eine breite Auswahl an Insektenprodukten oder pflanzlichen Fleischalternativen einführt, um auf den Trend zu nachhaltiger Ernährung zu reagieren. Ein Elektronikhändler, der die neuesten Smartwatches und Wearables in sein Sortiment aufnimmt, sobald diese auf den Markt kommen.
Sortimentsbereinigung:
- Definition: Der systematische Prozess des Entfernens von Produkten, Warengruppen oder Dienstleistungen aus dem Sortiment eines Handelsunternehmens.
- Ziele der Sortimentsbereinigung:
- Kostenreduzierung: Eliminierung von Ladenhütern, die Lagerplatz binden und Kapitalkosten verursachen.
- Effizienzsteigerung: Vereinfachung der Logistik, des Einkaufs und der Sortimentspflege.
- Profitabilitätssteigerung: Entfernen von unprofitablen Produkten, die die Margen belasten.
- Sortimentsfokussierung: Schärfung des Profils und Konzentration auf Kernkompetenzen.
- Platzoptimierung: Freisetzen von Regalflächen für profitablere oder innovativere Produkte.
- Gründe für Sortimentsbereinigung:
- Geringe Nachfrage/Umsatz: Produkte verkaufen sich schlecht.
- Geringe Marge: Produkte sind zwar umsatzstark, aber unprofitabel.
- Veralterung: Produkte sind technisch überholt oder nicht mehr im Trend.
- Nicht zur Strategie passend: Produkte passen nicht mehr zur Positionierung oder Zielgruppe.
- Hohe Retourenquoten/Reklamationen: Produkte verursachen hohe Folgekosten.
- Lieferprobleme: Unzuverlässige Lieferanten.
- Methoden der Bereinigung:
- ABC-Analyse: Klassifizierung von Produkten nach Umsatz- und Ertragsanteil, um "C-Artikel" (geringer Umsatz/Ertrag) zu identifizieren.
- Renner-Penner-Analyse: Identifikation von Bestsellern ("Renner") und Ladenhütern ("Penner").
- Kundenfeedback: Produkte, die häufig negativ bewertet werden.
- Beispiel: Ein Modehändler, der am Ende einer Saison nicht verkaufte Ware stark reduziert (Abverkauf) oder aus dem Sortiment nimmt, um Platz für die neue Kollektion zu schaffen. Ein Elektronikmarkt, der ältere Modelle von Smartphones oder Fernsehern aus dem Angebot nimmt, sobald neuere, leistungsfähigere Modelle verfügbar sind.
Ein effektives Sortimentsmanagement erfordert ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Innovation und Bereinigung, um das Sortiment stets attraktiv und wirtschaftlich zu halten.
Infografik
Der dynamische Prozess der Sortimentsgestaltung
Wie Händler ihr Angebot kontinuierlich analysieren, planen und steuern, um relevant und profitabel zu bleiben.
Der Kreislauf des Erfolgs
1. Analyse
Bewertung des Status quo und Identifikation von Potenzialen.
2. Planung
Strategische Entscheidungen über die zukünftige Ausrichtung.
3. Steuerung
Kontinuierliche Überwachung und Anpassung des Sortiments.
Die 4 Linsen der Sortimentsanalyse
👥Kundenanalyse
Wer kauft was? Analyse von Nachfrage, Präferenzen und ungedeckten Bedürfnissen.
⚔️Wettbewerbsanalyse
Was bietet die Konkurrenz? Identifikation von Lücken und Alleinstellungsmerkmalen.
🚚Lieferantenanalyse
Wer liefert was? Bewertung von Konditionen, Innovationen und Abhängigkeiten.
📈Interne Analyse
Was läuft gut? Auswertung von Umsatz, Marge und Umschlagshäufigkeit.
Die Macht der Eigenmarken
Eigenmarken sind ein starkes Instrument zur Differenzierung und Margensteigerung. Sie lassen sich in drei Hauptkategorien einteilen, die unterschiedliche strategische Ziele verfolgen.
Die Balkenlänge symbolisiert die relative Ausrichtung auf den niedrigsten Preis.
➕ Sortimentsinnovation
Die gezielte Aufnahme neuer Produkte, um Trends zu bedienen, den Umsatz zu steigern und das Image zu schärfen.
- Ziel: Neue Kundenbedürfnisse befriedigen
- Quelle: Lieferanten, Marktforschung, Kundenfeedback
- Beispiel: Einführung einer neuen Linie veganer Produkte
➖ Sortimentsbereinigung
Das systematische Entfernen unprofitabler "Ladenhüter", um Kosten zu senken und Platz für Neues zu schaffen.
- Ziel: Kosten reduzieren & Profitabilität steigern
- Methode: Renner-Penner-Analyse, ABC-Analyse
- Beispiel: Abverkauf alter Smartphone-Modelle
Analyse im Fokus: Die Renner-Penner-Analyse
Eine entscheidende interne Analyse teilt Produkte nach ihrem Erfolg ein. Sie hilft zu entscheiden, welche Produkte gefördert (Renner) und welche bereinigt (Penner) werden sollten.